Unsentimentale Anmerkungen zur Weltlage

Kategorie: Standard (Seite 28 von 31)

Hotpants

Vor kurzem ging durch die Presse, dass an einer Schule den Mädchen das Tragen von Hotpants verboten wurde. Das würde den Unterricht stören. Leider wurde nicht bekannt, was das genaue Problem war; man kann aber davon ausgehen, dass manche pubertierenden Jungs nicht davon ablassen konnten, anzügliche Bemerkungen zu machen, was letztlich wohl sogar den ordnungsgemäßen Ablauf des Religionsunterrichts gefährdet hat. Aber – so muss man fragen – gibt es nicht auch andere Äußerlichkeiten, die aus ästhetischen und sonstigen Gründen derart anstößig sind, dass davon ebenfalls die Unterrichtsdurchführung beeinträchtigt werden könnte?

Da wären etwa die leibhaftigen Wurstpellen, in denen entsprechende XXL-Körper stecken, die zu spitzen Bemerkungen in ihrer Klasse Anlass geben könnten. Da sind die männlichen Freunde der halb heruntergelassenen Jeans, die unschuldige Beobachter mit den Karos ihrer Boxer-Shorts oder – noch schöner – dem bleich hervorquellenden Hinterteil erfreuen. Da haben wir die Kopftuchmädchen, bei denen man nicht weiß, ob man sie mehr bemitleiden muss, weil sie von ihren Eltern zur Verkleidung als politisch-religiöses Statement genötigt werden, oder weil sie so beschränkt sind zu glauben, dass Gott nicht ins Herz schaut, sondern auf die Frisur. Da sind auch die Schüler aus besserem Hause, die mit ihren Edelklamotten allen anderen zeigen, für wie minderwertig sie sie halten. Und dann gibt es noch viele andere, deren Äußeres ebenfalls als überkandidelt, aufreizend, hässlich oder einfach nur nervig bezeichnet werden kann.

Und dennoch wird man in einer normalen Großstadt all diese Menschen – nicht nur Schüler – finden, ohne dass irgendjemand auch nur einen Seitenblick auf sie wirft, geschweige denn das öffentliche Leben durch sie in Aufruhr gerät. Ja, es soll sogar Stadtteile geben, in denen Menschen nackt herumlaufen, ohne dass einer Dorfschullehrerin ganz anders wird.

Daraus ergeben sich für die Schule zwei Lösungen: Entweder tragen alle Schuluniform, oder das Lehrpersonal nimmt seine Aufgaben ernst und versucht, die verklemmten Kleinstadtgeschmäcker in Großstadtzivilisation zu überführen. Leider schafft man es damit nicht in die Zeitungen, aber das sollte auch nicht die vornehmste Aufgabe von Lehrern sein.

Syrische Stadtmusikanten

Vielleicht sollte man sich mit so etwas wie Logik mit der aktuellen Flüchtlingsfrage beschäftigen. Offensichtlich gibt es gute und schlechte Flüchtlinge. Die guten Flüchtlinge sind die von einem bösen Regime verfolgten Oberschichtsangehörigen mit dicker Geldbörse, Nobelpreisträger und Jahrhundertschriftsteller. Die werden gerne ins Land gelassen. Nur kommen da nicht so viele. Und dann gibt es die schlechten Flüchtlinge, die aus ihrem Elend („Wirtschaftsflüchtlinge“) oder als mit dem Tode Bedrohte nach Europa flüchten, weil sie dort eine Verbesserung ihrer Lage erhoffen. Oder wie es im Märchen von den Bremer Stadtmusikanten heißt: Etwas Besseres als den Tod findest du überall.

Schauen wir uns nun diese schlechten Flüchtlinge und die Flüchtlingspolitik etwas genauer an, wobei ein bisschen Alltagswissen um Ökonomie nicht schaden kann. So kann davon ausgegangen werden, dass jeder, der migriert, (erwartete) Kosten und (erwarteten) Nutzen in Beziehung zu einander setzt. Wenn jemand z. B. seinen Arbeitsplatz wechselt und für den neuen Job eine längere Strecke pendeln muss, dann wird er das nur tun, wenn er am neuen Arbeitsplatz mindestens um so viel mehr verdient als ihn das Pendeln kostet. Migration ist also eine Kostenfrage. Für jemand, der nach Europa flüchtet, gilt dasselbe.

Stellen wir uns vor, dass etwa AirBerlin regelmäßige Flüge von Mogadischu nach Berlin anbietet, durch die Flüchtlinge aus Somalia nach Deutschland kommen können, dann kostet das vielleicht 300 Euro, die die Flüchtlinge aufbringen müssen und die AirBerlin pro Passagier verdient. Jeder Flüchtling wird diese Kosten in seine Kalkulation einbringen und dann entscheiden, ob der Vergleich der Lebenssituation in Somalia mit derjenigen in Deutschland (zumindest in der Erwartung) es sinnvoll macht, diese 300 Euro zu investieren.

Die europäische Politik möchte die schlechten Flüchtlinge aber nicht haben, sondern erhöht die Kosten – die Flüchtlinge sollen von der Flucht nach Europa abgeschreckt werden, indem auf die einfachen Fahrtkosten ein Preis für die illegale Einreise und eine immense Risikoprämie aufgeschlagen wird. Die sog. Schlepper lassen sich ihre Dienstleistung ja gut bezahlen, und je höher die Hindernisse aufgetürmt werden, desto höher werden die entsprechenden Preise. Diese Preise zahlen die Flüchtlinge, und die Dienstleister kassieren sie. Das nennt man Marktwirtschaft.

Die Kalkulation seitens der europäischen Politik ist so einfach wie zynisch: Durch Abschreckungsmaßnahmen wie das Unterbleiben von Seenotrettung oder den geplanten Bau von Auffanglagern in Nordafrika soll der Preis für die Flüchtlinge so stark erhöht werden, dass sie lieber zu Hause bleiben. Für Menschen, die durch die Migration nur geringfügige Vorteile erwarten können, wird das funktionieren. Für Menschen, die hingegen die Kosten der Flucht nicht kalkulieren können, weil es – wie etwa für Menschen aus Syrien oder Somalia – zumeist um das pure Überleben geht, also um den Preis, den das eigene Leben für sie hat, gibt es aber keine wirksame Abschreckung. Mit einer Ausnahme: Man sorgt dafür, dass die Flüchtlinge bereits vor Erreichen des Mittelmeers sterben. Das dürfte auch das implizite Ziel der aktuellen europäischen Politik sein; zumindest gibt es keine Maßnahmen, die einen anderen Schluss zulassen. Darin zeigt sich schließlich ein deutlicher Unterschied zu den Bremer Stadtmusikanten: Diese kommen zwar auch nicht ans Ziel, aber immerhin haben sie etwas Besseres als den Tod gefunden.

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