Aktuell scheint es kein wichtigeres Thema zu geben als die Überforderung der öffentlichen Verwaltung, insbesondere im Hinblick auf Asylverfahren. Dabei ist sogar von „Kontrollverlust“ (unter anderem: Gauck, Lindner, Spahn, Wagenknecht, Weidel) die Rede.
Die Überforderung der unterschiedlichen Behörden resultiert nach allem, was darüber zu lesen ist, aus einem Dreiklang von Faktoren: der schlechten (personellen wie technischen) Ausstattung, der schlechten Organisation (auch in der Kommunikation zwischen den Behörden) und der mangelnden Arbeitsleistung der Beschäftigten. Selbstverständlich kann die Kombination dieser Faktoren in den einzelnen betrachteten Fällen jeweils ganz unterschiedlich ausfallen; die Zustandsbeschreibung bleibt aber grundsätzlich gültig.
Wenn man mit einem simplen Naturell geschlagen ist, scheint die Lösung dieser Probleme ganz einfach zu sein: die Behörden besser ausstatten, ihre Organisation optimieren und eine leistungssteigernde Mitarbeiterführung implementieren.
Dass diese Lösung aber nur scheinbar naheliegt und eher die grundsätzliche Naivität des Beobachters verrät, ist schon allein daraus abzuleiten, dass solche Vorschläge in den aktuellen politischen Debatten keine Rolle spielen. Dies liegt wohl auch daran, dass das zentrale Ziel der deutschen Politik das Anfüttern einer Milliardärs-Kaste ist; da stören dann Ausgaben für Behördenmitarbeiter nur, insbesondere wenn diese in der Verfolgung von Steuerhinterziehung, Geldwäsche oder organisiertem Betrug aktiv sind. Es geht daher um ganz andere Maßnahmen, denen zugetraut wird, die geschilderten Probleme zu lösen. In letzter Zeit treten vor allem drei Themen bzw. Handlungsvorschläge in den Vordergrund:
1. Offensichtlich ist es ein hervorragendes Instrument zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit von Behörden, exakte Differenzierungen der Bevölkerung vorzuhalten. Während aber auf der Rechten insbesondere die Unterscheidung von Inländern und Ausländern, aber auch von Leistungsträgern und Schmarotzern von zentraler Bedeutung ist, betont die Salonlinke in erster Linie die Differenzierung der Menschen in selbstgewählte Geschlechtskategorien. Beide Richtungen werden demnach als besonders geeignet angesehen, die Arbeitsweise von Behörden zu verbessern. Man müsste sie vielleicht nur noch kombinieren.
2. Eine weitere, hierfür hervorragend geeignete Maßnahme läuft unter dem Titel „Mehr Milei/Trump/Musk wagen“, worunter die einfache Abschaffung von einzelnen Sparten der öffentlichen Verwaltung zu verstehen ist. Tatsächlich kann eine Behörde, wenn sie nicht mehr existiert, auch keine Probleme des Verwaltungshandelns produzieren. Leider ist die Einsicht in die stupende Brillanz dieser Vorschläge nicht so weit verbreitet, dass schnell an ihre Umsetzung zu denken wäre. Das könnte auch daran liegen, dass es etwa für Privatflieger gar nicht so schlecht ist, wenn es eine von allen finanzierte staatliche Flugsicherung gibt; und für die nachmittägliche Ausfahrt des Lamborghini mit 250 km/h sollte eine gut geteerte Autobahn zur Verfügung stehen. Insofern ist der skizzierte Vorschlag bei aller sympathischen Grundsätzlichkeit doch mit gewissen Widersprüchlichkeiten behaftet.
3. Am effektivsten scheint daher die dritte Lösung zu sein: die radikale Begrenzung des Zugangs zu Verwaltungsleistungen. Wenn eine Behörde mit der Bearbeitung der Fälle in ihrem Verantwortungsbereich überlastet ist, kann man einfach dafür sorgen, dass der Zugang zu dieser Behörde erschwert oder gar verunmöglicht wird. Aktuell wird dieser Lösungsweg beim Flüchtlingsthema durchexerziert, das so zu einem Versuchslabor dafür wird, wie man sicherstellt, dass Menschen Behördenleistungen (hier: Bearbeitung von Anträgen) schon physisch nicht mehr in Anspruch nehmen können, weil ihnen einfach der Zugang verwehrt wird.
Dass dies aber nur ein erster Schritt sein kann, wird auch daraus deutlich, dass in den nächsten Jahren mehrere hunderttausend Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in Ruhestand gehen und die entsprechenden Stellen nicht mehr besetzt werden können. Dann bietet es sich – zur Vermeidung von Kontrollverlust – konsequenterweise an, Anträge z. B. auf eine Baugenehmigung, Korrektur von Bescheiden oder Anmeldung von Fahrzeugen dadurch zu verhindern, dass die Türen der jeweiligen Behörden geschlossen und verbarrikadiert bleiben. Lediglich die Flugsicherung für Privatflieger, die Autobahnmeistereien an Rennstrecken und die Polizei als Hüterin dieser Verhältnisse werden wohl noch weiter aufrechterhalten bleiben.
Ergänzung aus aktuellem Anlass: Was hier noch als Zukunftsmusik präsentiert wird, ist in den USA mittlerweile Realität.
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