Anlässlich der sog. Silvesterkrawalle entflammte wieder die alljährliche mediale Debatte über Integration, d. h. die Vermutung, dass die Beteiligten nicht integriert sind, sich nicht integrieren wollen oder überhaupt. Das soll hier zum Anlass genommen werden, sich mit dem Integrationsbegriff etwas genauer auseinanderzusetzen.
„Integration“ ist einer der Begriffe, die als solche unterbestimmt sind, d. h. wie andere Begriffe auch einer Ergänzung bedürfen, um sinnvoll zu sein. Die Ergänzung lautet hier: integriert in. Ohne eine solche nähere Bestimmung schrumpft der Fachbegriff der Integration auf ein angeberisches Synonym von „unerwünschtem Verhalten“ (wobei auch hier zu ergänzen wäre, von dem es unerwünscht ist).
Bei korrekter Begriffsverwendung können wir etwa bei einer 90-jährigen Rentnerin im Regelfall davon ausgehen, dass sie nicht in den Arbeitsmarkt integriert ist, was aber als unproblematisch angesehen wird, weil sie ins Rentensystem integriert ist und vielleicht auch noch über verwandtschaftliche und/oder freundschaftliche Beziehungen verfügt, also auch hier Integration vorliegt.
Personen können demnach in verschiedene Teilbereiche der Gesellschaft integriert oder aber nicht integriert sein. Eine vollständige Integration im Sinne einer Einbettung in alle erreichbaren gesellschaftlichen Sphären existiert üblicherweise nicht; eine Ausnahme dürfte das Gefängnis sein, in dem die Insassen in hohem Maße integriert sind – zumindest im Hinblick auf alle Bereiche, die ihnen überhaupt zur Verfügung stehen.
Zugleich ist Integration nicht mit positiv bewertetem Verhalten gleichzusetzen. So können alle Mitglieder der internationalen Päderasten-Szene als hochgradig in diese integriert angesehen werden, was nicht nur auf Angehörige des katholischen Klerus beschränkt ist, sondern grundsätzlich auf alle klandestinen Zusammenhänge gemünzt werden kann.
Insofern kann man auch der abstrusen Figur mit Nachnamen Lindner und Vornamen Finanzminister, wenn sie es auf Sylt krachen lässt und so den Personen geringeren Einkommens den Stinkefinger zeigt, nicht von vornherein die Integration absprechen. Zumindest in eine vorrangig parasitäre Parallelgesellschaft ist die Einbettung sicherlich gegeben.
Aus dieser Perspektive sind die Silvester-Auffälligen ebenfalls hochgradig integriert, sie bilden mit den empörungswilligen Medien, den entrüstungsaffinen Parteien und den rechtsradikalen Trollen ein überaus kooperatives Ensemble, das es ebenfalls gerne krachen lässt und den Rest der Bevölkerung für dumm hält. Den Vogel schießt hier der FAZ-Redakteur Altenbockum ab, wenn der die Teilnehmer an den Ereignissen als „integrationsunwillige Jugendliche“ fremder Kultur bezeichnet (J. v. Altenbockum: Die kleinen und die großen Paschas. In: www.faz.net/aktuell/politik/inland/merz-und-die-integrationsdebatte-kleine-und-grosse-paschas-18601013.html; abgerufen am 13.1.2013), ohne überhaupt wahrnehmen oder reflektieren zu wollen, dass diese Jugendlichen (auch außerhalb Berlins) ihre „Integrationsunwilligkeit“ nicht auf den Straßen Kabuls oder Algiers gelernt haben, sondern mitten in Deutschland. Und dass ihr Verhalten daher ein Nachweis gelebter Integration ist.
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