Nein, hier geht es nicht um abstrakte Formen der Logik, sondern um deren Rolle im Alltag. Beginnen wir mit einem Satz, der seinem Urheber viel Häme eingebracht hat, vielleicht weil man sich immer gern über intellektuell nicht überragende Fußballer lustig machen will. Im konkreten Fall geht es um den damaligen Profi Jürgen Wegmann, der nach einem Spiel sagte: „Erst hatten wir kein Glück, dann kam auch noch Pech dazu.“ Hierüber wurde viel gelacht, denn hier würden ja zwei identische Aussagen nur in unterschiedlicher Formulierung nebeneinander gestellt und so ein Nonsens-Satz konstruiert, der besonders tiefsinnig habe klingen wollen.

So kann man das sehen. Zumindest dann, wenn man Anhänger einer zweiwertigen Logik ist. Das bedeutet, dass es nur ein Ja oder ein Nein gibt, Glück oder Pech. Den Satz kann man aber auch ganz anders verstehen, nämlich im Sinn einer dreiwertigen Logik. Dann gibt es eine unbestimmte Situation, die weder mit Glück noch mit Pech gleichgesetzt werden kann, und davon kann das Geschehen dann in Richtung Glück oder Pech abweichen. Wenn man sich das Alltagsdenken und ‑sprechen ansieht, kann man es sogar als dessen grundsätzliche Eigenheit ansehen, dass immer eine dreiwertige Logik vorliegt. Denn bei jeder Entscheidungsfrage gibt es eine dritte Möglichkeit, die da lauten kann: „dazu sage ich nichts“, „das ist mir egal“ oder „belästige mich nicht mit dieser Frage“. Auch wissenschaftliche Befragungen enthalten immer die Antwortmöglichkeit „keine Antwort“.

Demgegenüber stehen autoritäre Denk- und Sprachregelungen, die tatsächlich eine zweiwertige Logik enthalten, die im wesentlichen daraus besteht, dass eine Nicht-Antwort als eine Antwort interpretiert wird bzw. als einzige Antwort die in der Frage vorgegebene Antwort möglich ist. Ein Beispiel ist die in US-amerikanischen Filmen immer wieder auftauchende Aufforderung bei einer Trauung, entweder Gründe gegen die Trauung vorzubringen oder für immer zu schweigen. Diese Aufforderung (die als starke Form einer Frage anzusehen ist, nämlich von: „Hat jemand einen Grund …?“) dient in diesen Filmen zumeist dazu, dem in der Regel männlichen Helden die Gelegenheit zu geben, durch eine erneute Liebeserklärung die geliebte Frau in letzter Sekunde den Armen des Rivalen zu entreißen. Darüber hinaus ist diese Frage bzw. Aufforderung – zumindest in zivilisierten Ländern – ohne jede Bedeutung, da rechtliche Gründe, die gegen eine Ehe sprechen (z. B. Bigamie), auch nach der Eheschließung gültig bleiben.

Ein zweites Beispiel dieser zweiwertigen Logik war der Like-Button bei Facebook, der bis 2016 trotz massiver User-Kritik die einzige Kommentar-Möglichkeit war, außer „für immer zu schweigen“. Auch heute noch gibt es kein „Dislike“, sondern eine Auswahl zwischen sechs verschiedenen Kommentar-Icons. Diese Auswahl ist jedoch insofern völlig irrelevant, als es für Facebook nur um ein Ziel geht: die User möglichst lange auf den Seiten des Unternehmens zu halten und gleichzeitig durch das Anklicken eines Buttons das für Werbekunden attraktive Tracking des Nutzers zu optimieren. Aus dieser Sicht ist auch eine andere als die Like-Kommentierung immer nur eines, nämlich die Bestätigung der Schaffung von Relevanz durch Facebook.

Die zweiwertige Logik – zuzustimmen oder zu schweigen – findet sich aber nicht nur online oder in Spielfilmen, sondern ist auch charakteristisch für die Denkhaltung von Rechtsradikalen oder Präsidenten, wenn sie es als Verletzung der Meinungsfreiheit deklarieren, dass ihnen jemand widerspricht. Bereits in der Anwendung dieser zweiwertigen Logik – stimme mir zu oder halt den Mund – artikuliert sich eine zutiefst autoritäre, ja diktatorische Haltung, angesichts derer es nachgerade erholsam und intellektuell bereichernd ist, wenn ein Fußballer über die Rolle von Glück und Pech spricht.