Die aktuelle Diskussion um Framing, also die Beschreibung der Realität mit Begriffen, deren sprachliches Umfeld bestimmte Denkweisen vorgibt bzw. in bestimmte Denkrichtungen lenkt, hat zwei Seiten. Einerseits weist sie auf einen wichtigen Aspekt von Sprache hin; andererseits äußern sich darin recht bedenkliche sprachpolitische Konsequenzen.
Der erste Punkt ist recht einfach zu erläutern: Mit einzelnen Begriffen wird ein Feld an Konnotationen aufgespannt, das die Einstellungen zu dem, was beschrieben wird, sowohl ausdrücken als auch vorgeben kann. Ein bekanntes Beispiel ist der „Flüchtlingsstrom“, der Assoziationen von Naturgewalten, Überschwemmungen etc. weckt und damit – so die Theorie des Framing – ein Szenario von Überforderung und Gefahr erzeugt, so dass Personen, denen gegenüber das Fluchtgeschehen mit diesem Begriff bezeichnet wird, zu einem Abwehrreflex manipuliert werden. Daher sei es nötig, zumindest wenn man diese Position nicht teilt, ein anderes Framing zu schaffen, indem man andere Begriffe verwendet.
So schlüssig diese Argumentation auch ist und so sehr sie empirisch auch belegbar ist, so problematisch ist das mitgelieferte Menschenbild. Menschen werden offensichtlich als bewusst- und ahnungslose Wesen verstanden, die bloße Ausführungsgehilfen eines sprachlichen Settings sind. Ähnlich wie im Film „Matrix“ scheinen Menschen Marionetten sprachlicher Vorgaben zu sein, denen sie willenlos folgen und dem sie ihre Wirklichkeitswahrnehmung unterordnen. Nur den Auserwählten ist es möglich, die rote Pille (so der Vorgang im Film) zu schlucken und plötzlich die Realität so wahrzunehmen, wie sie ist. Anders aber als im Film beschränkt sich die Sprachpolitik des Framings jedoch nicht auf diejenigen, die an der vollen Erkenntnis der Wahrheit interessiert sind, sondern unternimmt es, alle anderen mit dieser zu beglücken. Das Ziel ist dabei nicht nur der „richtige“ Blick auf die Welt, sondern deren Veränderung durch die „richtigen“ Begriffe. Auf Englisch – denn aus der amerikanischen Praxis stammt dieser Zugang – könnte man sagen: „Changing the world by changing the word“.
Nun ist es nicht zu übersehen, dass kein einziger Armer, der in den USA heute offiziell nicht mehr als „poor“ bezeichnet wird, sondern als „economically disadvantaged“, dadurch zu einem höheren Einkommen gelangt. Und auch die Verwendung des Binnen-I, des Unterstrichs oder des Binnen-Sternchens hat noch keiner Frau zu einem höheren Status verholfen. Sprachpolitik simuliert Politik, spielt gesellschaftspolitisches Handeln vor, lässt aber tatsächliche Machtverhältnisse und Hierarchien unberührt.
Stattdessen munitioniert eine solche Sprachpolitik all diejenigen, die über einen (Sprach-)Kulturkampf tatsächliche gesellschaftliche Ungleichheiten konservieren, ja bereits erreichte Fortschritte rückgängig machen wollen. Die rote Pille der Sprachpolitik wird dagegen nicht helfen, sondern unterstützt vielmehr solche Bestrebungen; da braucht es schon praktische, nicht nur symbolische Politik.
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