Wenn man nicht auf Science-Fiction-Autoren und theoretische Physiker hört, besteht unsere Lebenswelt aus vier Dimensionen: Länge, Breite, Höhe und Zeit. Mit diesen vier Dimensionen kann jedes Objekt außerhalb der Quantenphysik eindeutig lokalisiert werden. Auch wenn das banal erscheint, hat es doch weitreichende Konsequenzen. Im folgenden soll aber nur ein Aspekt betrachtet werden, nämlich die Bedeutung der Zeit.
Eines der grundlegenden Prinzipien der klassischen Physik lautet actio = reactio und ist als das dritte Newton’sche Gesetz bekannt. Man kann es manchmal im Physikunterricht erleben, wenn der Lehrer zwei Schüler auf jeweils einem Rollbrett einander gegenüberstellt und einen der beiden Schüler auffordert, den anderen wegzuschieben, was dann dazu führt, dass sich der Schiebende in die Gegenrichtung bewegt – ein Effekt, der im selben Umfang auftritt, wenn der andere Schüler zu schieben beginnt. Physikalisch macht es also keinen Unterschied, von welchem Objekt die Kraft auf ein anderes ausgeübt wird; dieselbe Kraft wirkt auf dieses Objekt zurück. Insofern ist der Scherz, dass dann, wenn jemand gegen einen Baum gefahren ist, gesagt wird, ihm sei dieser Baum in den Weg gesprungen, insofern eine realistische Darstellung, als es physikalisch zu demselben Ergebnis geführt hat.
Diese simple Gleichstellung von Kraft und Gegenkraft verliert ihre Eindeutigkeit, wenn die Dimension der Zeit hinzugefügt wird. Tatsächlich ereignen sich die Auswirkungen einer Handlung nie mit dieser gleichzeitig, sondern immer mit einer – manchmal nur minimalen – Verzögerung. Ein Beispiel ist etwa das in manchen Weltgegenden übliche Abfeuern von Gewehren bei Trauer- oder Freudenkundgebungen. Wird ein Schuss senkrecht in die Luft abgefeuert, kann es passieren, dass die Kugel den Schützen bei der Rückkehr zur Erde unsanft daran erinnert, dass Kräfte nicht im nirgendwo verschwinden, sondern auch eine Wirkung haben können – hier: den Schützen verletzen. Zugleich aber kann der Faktor Zeit dazu führen, dass der Schütze seinen Platz bei der Rückkehr der Kugel bereits verlassen hat und diese nun eine andere Person trifft. Hier zeigt sich dann auch ein zweiter Aspekt von Zeit: Während im Beispiel der Schiebenden auf den Rollbrettern völlig unerheblich ist, wer das Schieben unternimmt, es also keine Bevorzugung einer bestimmten Richtung der Druckausübung gibt, läuft die Zeit immer nur in eine Richtung: von früher nach später.
Es gibt jedoch eine Möglichkeit, die Richtung des Zeitpfeils zu überlisten; diese Möglichkeit ist das Wissen um die Auswirkungen des Handelns. Entsprechend der eigenen Ziele, d. h. dessen, was als zukünftiges Resultat des Handelns gewünscht ist, kann gehandelt werden und damit die Zukunft zum Entscheidungsgrund für das Handeln werden, mithin zugleich Vergangenheit (= Entscheidung), Gegenwart (= Handeln) und Zukunft (= Resultat) sein.
Bereits Tiere verfügen über solch ein Wissen, wenn sie etwa Methoden einüben, um besser Beute zu machen. Auch Kinder lernen recht schnell, die Effekte bestimmter Verhaltensweisen zu erkennen und diese Erkenntnis dann zielgerichtet einzusetzen. Damit geht aber einher, dass die Zeit auch einem Qualitätswandel unterliegt. Dies zeigt sich darin, dass je größer die Zeiträume sind, die zwischen Handeln und Resultaten liege, desto stärker sinkt die Bereitschaft, die Zukunft in die eigenen Entscheidungen einzubeziehen. Gerade wenn Handlungseffekte nicht mehr persönlich erlebt werden können, bedarf es neben dem bloßen Wissen um die Zukunft auch der Bereitschaft, dieses Wissen praktisch umzusetzen. Das nennt man dann Verantwortung – eine Eigenschaft, die nicht nur erlernt, sondern üblicherweise auch gegen diejenigen durchgesetzt werden muss, die ihren kurzfristigen Nutzen für wichtiger halten als den langfristigen Schaden der anderen.
Und dies kann dann Dimensionen erreichen, die weit über die bekannten vier hinausreichen.
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