Es gibt sie noch, die guten Nachrichten, und zwar zumeist gut versteckt in den Klagen über das Fehlverhalten anderer. Sie sind zwei Kategorien zuzuordnen, die zunächst nicht sehr naheliegend zu sein scheinen, die ich aber – so hoffe ich – überzeugend herleiten kann.
Fangen wir mit dem ersten Punkt an. Wie viel Aufregung herrscht doch aktuell um die „Mit-Erwähnung“ von Frauen und Diversen durch das Innehalten im Wort, um dann ein „-innen“ herauszupressen. Endlich erhalten Frauen und Diverse ihre wichtigsten Rechte. Wer möchte da noch erwähnen, dass sich Frauen (nicht Diverse) vor drei Generationen das Wahlrecht erkämpften und seit nicht mal zwei Generationen ein eigenes Konto haben dürfen und ihnen sogar das Autofahren erlaubt ist. Das waren ja im Gegensatz zu den heutigen Problemen eher Peanuts. Oder die schwulen Männer, denen das Dritte Reich einen längeren und zumeist endgültigen Aufenthalt im Konzentrationslager gönnte, während die nachfolgenden Demokratien lediglich mit Haftstrafen oder chemischer Kastration einschritten. Heute ist der § 175 abgeschafft, aber nicht das Ende der Kämpfe erreicht. Ein wichtiger Fortschritt, ist immerhin geschafft, nämlich dass die BBC ein beliebtes Weihnachtslied (Fairytale of New York) zensiert, weil sich ein Schwuler, so er sich sehr bemüht, davon beleidigt fühlen könnte. Und die Mikroaggressionen! Es gibt mittlerweile keine Ausgabe der „taz“, des Zentralorgans für Empfindlichkeitsstörungen, mehr, in der nicht irgendwelche Migrantenkinder sich darüber beschweren, dass sie evtl. jemand schief angesehen oder sich zumindest nicht zutiefst respektvoll verhalten hätte. Was zählen demgegenüber schon die Gefahren für Leib und Leben, denen sich ihre Eltern ausgesetzt sahen. Und vergessen wir die notorische Jana aus Kassel nicht, die ihre Existenz als unbeachtete Querdenkerin direkt mit Sophie Scholl verglich, was unverständlicherweise Unmut hervorrief; auch Querdenken ist doch gefährlich!
Diese und viele ähnliche Beispiele lassen nur einen Schluss zu, und das ist der Kern der ersten guten Nachricht: Wir leben in postheroischen Zeiten. Offensichtlich braucht es heute keine Helden mehr, wenn die heroische Selbstinszenierung nur noch den Zweck der Selbstdarstellung, aber kein irgendwie inhaltlich sinnvolles Ziel mehr verfolgt. Selbstverständlich ist die postheroische Pose auf die privilegierten Bürgerkinder, die den Überdruss an ihrer rundum versorgten Lebenswelt kompensieren zu müssen scheinen, beschränkt. In der Realität alleinerziehender Elternteile oder von Pizzaausfahrern und Paketboten ist dafür kein Platz; aber manchmal gibt es die guten Nachrichten eben nicht für alle.
Damit komme ich zur zweiten guten Nachricht, die auch mit dem ersten Punkt zusammenhängt. Wenn wir nämlich die verwöhnten Mittelschichtskinder beiseite lassen (was für diese natürlich der größte Affront überhaupt ist), dann gibt es selbstverständlich auch echte Diskriminierung z. B. nach der Herkunft. Dabei ist aber eine seltsame Beobachtung zu machen. Denn solange ein – sagen wir mal – türkischer Gastarbeiter bei Opel am Band steht, vielleicht auch als Müllwerker arbeitet oder einen Döner-Stand, vielleicht sogar ein türkisches Spezialitätenrestaurant eröffnet, ist alles in Ordnung. Wenn sie aber wagen, die Sphären der Unterschichtsexistenz oder des Exotischen zu verlassen, und in die sozialen Positionen der oberen Mittelschicht hineinstreben, dann hört sich der Spass auf, dann wird der Bürger zum Kämpfer gegen die Umvolkung des Abendlandes und kennt keine zivilisatorisch grundierten Verhaltensgrenzen mehr. Und doch verbirgt sich hierin die zweite gute Nachricht: Die Integration von Zuwanderern, aber auch von eingeborenen Frauen und Personen anderer Kategorien in gehobene soziale Kreise ist mittlerweile derart weit fortgeschritten, dass dies offensichtlich nur noch durch Machtgebaren und Gewaltanwendung eindämmbar, reduzierbar oder gar umkehrbar erscheint. Diskriminierung ist also ein letzter Versuch, die weitgehend erreichte Integration in die besseren Kreise rückgängig zu machen.
Bevor nun die Euphorie überhand nimmt, ist es nötig, noch einmal darauf hinzuweisen, dass diese guten Nachrichten exklusiv einer bestimmten Gesellschaftsschicht vorbehalten sind. Die Oberschichten haben solche guten Nachrichten nicht nötig und den Unterschichten nützen sie nichts. Aber es gibt sie trotzdem.
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